30.12.2009

Diskussion um die Rekonstruktion

Zum Glück ist die Rekonstruktion der Fassade des Schlosses Herrenhausen schon beschlossene Sache, denn die Architektenverbände versuchen seit Bekanntgabe der geplanten Rekonstruktion die Entscheidungsträger zu beeinflussen.
Da die Architekturbüros, die den Wiederaufbau des Schlosses entwerfen, vermutlich alle im BDA (Bund Deutscher Architekten) Mitglied sind und die meisten dieser Büros der Rekonstruktion ablehnend gegenüber stehen, hat die VolkswagenStiftung noch einmal bekräftigt, dass die Fassade originalgetreu rekonstruiert werden muss (siehe hier).

Wolfgang Schneider, Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen des BDA, hat bei verschiedenen Gelegenheiten versucht deutlich zu machen, dass "der Nachbau einer einmal ausgelöschten Gebäudeexistenz von der überwiegenden Mehrheit abgelehnt wird".
Er hat allerdings nicht gesagt, woher er das weiß. Mein subjektiver Eindruck ist eher, dass die Mehrheit der Bevölkerung Rekonstruktionen befürwortet.
Außerdem behauptet er: "Kopien entfalten keine Wirkung und erscheinen leblos".
Auch dem kann ich nicht zustimmen. Einer qualitätvollen Rekonstruktion sieht man nicht an, dass es eine Kopie ist. Selbst das (teil-)rekonstruierte Stadtschloss in Braunschweig, das etwas fragwürdig vor ein Shopping-Center gesetzt wurde, hat den Platz enorm belebt (nicht nur durch die Passantenfrequenz, die durch das Center gestiegen ist, sondern auch atmosphärisch).

Ich kann verstehen, dass Architekten Rekonstruktionen ablehnen, denn dann können sie sich ja nicht mehr in zeittypischen und modernen Gebäuden selbst verwirklichen.
Ich kann aber nicht verstehen, dass sie dann auch noch der Meinung sein müssen, alle seien ihrer Meinung.

Interessanterweise ist Wolfgang Schneider mit seinem Architekturbüro ASP Architekten ebenfalls am Architektenwettbewerb zum Wiederaufbau beteiligt, obwohl er eine komplette Rekonstruktion der Fassade ablehnt.
Mal sehen, was sein Büro für einen Entwurf vorlegt...

Ein anderes Argument, das von Rekonstruktionsgegnern gerne verwendet wird, ist der fehlende Zusammenhang von Fassade und Funktion des Gebäudes.
Oder, dass Rekonstruktionen suggerierten, dass es Krieg und Zerstörung nicht gegeben hätte.
Solch ein Argument in einer kriegszerstörten Stadt wie Hannover scheint fast ein wenig lächerlich. Denn niemand möchte ja das komplette Hannover von 1938 wiederaufbauen.

Rekonstruktionsbefürworter sind auch nicht unbedingt rückwärtsgewandte Traditionalisten, wie sie gerne von den Architekten dargestellt werden. Ich z.B. halte einiges von moderner Architektur (z.B. finde ich den Heutelbeck-Neubau in der Karmarschstraße gelungen, oder aber den Nord/LB-Bau am Aegi), bin aber dennoch der Meinung, dass an bestimmten Stellen eine Rekonstruktion besser passt als ein Neubau.

Es geht bei einer Rekonstruktion darum, ein für eine Stadt wichtiges Gebäude wiederaufzubauen.
Das kann ästhetische Gründe haben (denn die Architektur nach dem zweiten Weltkrieg ist für viele Menschen kein Vergleich zu historischer Architektur - das kann man auch daran erkennen, dass einigermaßen sanierte Altbauviertel als bessere Wohngegend angesehen werden, als 50er Jahre Wohnsiedlungen oder 70er Jahre Betonburgen).
Das kann aber auch ideelle Gründe haben, wenn das Gebäude die Stadt geprägt hat und einem gesichtlosen Viertel wieder Identität verleihen könnte (was beim Herrenhäuser Schloss nicht zutrifft, denn die Umgebung ist nicht gesichtlos - das Schloss fehlt einfach).

In Herrenhausen ist eine Rekonstruktion vor allem sinnvoll, weil sich das Schloss durch seine Gestaltung zurückhaltend in den Großen Garten einordnet und gleichzeitig ein wichtiger Bezugspunkt für den Garten ist.
Auf gut deutsch - etwas anderes als eine Rekonstruktion des Schlosses kann ich mir an dieser Stelle nicht vorstellen.

1 Kommentar:

FS hat gesagt…

Ich kann verstehen, dass Architekten Rekonstruktionen ablehnen, denn dann können sie sich ja nicht mehr in zeittypischen und modernen Gebäuden selbst verwirklichen.
Ich kann aber nicht verstehen, dass sie dann auch noch der Meinung sein müssen, alle seien ihrer Meinung.


Gut auf den Punkt gebracht.